Das Gespräch mit Lokaljournalisten in seinem Dienstzimmer dauert fast zweieinhalb Stunden. Fragen sind erwünscht, und gegen Ende wird es auch ein bisschen persönlich: „Meine Familie muss mehr auf mich verzichten“, sagt er kurz, als es darum geht, wie sich sein Leben mit dem Amt verändert hat. Das muss als Antwort reichen. Man müsse Menschen mögen als Bürgermeister, schiebt er dann doch noch nach – nach einer Pause. „Wenn man Menschen nicht mag, dann wird das schwierig.“
Für eine gute Viertelstunde bekommt das Treffen eine gewisse Nähe und Vertrautheit. „Ja, sehr zufrieden“, lautet Pielluschs Fazit nach zweieinhalb Jahren: „Wir sind sehr weit gekommen!“ Und ist es immer noch sein Traumjob, so wie er es anfangs empfunden hat? „Ja. Ja!“, sagt er ganz leise. „Ich freu mich, dass ich hier arbeiten kann, dass ich für die Stadt Wunstorf arbeiten kann.“ Geht er in die nächste Runde? „Die nächsten zweieinhalb Jahre?“, fragt er schelmisch und lacht laut. „Ja klar!“ Und ein bisschen später: „Ich freu mich sehr, hier arbeiten zu dürfen. Und ich freu mich auch, wenn das noch länger wird.“
Wenn es nach ihm gegangen wäre, sagt Piellusch mit großer Betonung, hätte er sich lieber intensiv um Bauen und Wohnen gekümmert, „um weiterzukommen“. Das sei ihm persönlich wichtig – ebenso die Innenstadt. Er benutzt wieder die Vokabel Herzkammer der Stadt. Darauf müsse man aufpassen, und die gelte es weiterzuentwickeln. Nachhaltigkeit sei ihm eine Herzensangelegenheit, ergänzt er. „Wenn wir bauen, dann steht das für 50, für 100 Jahre.“ Es müsse also jeder Schritt genau überlegt werden. Klima und alles, was mit Energie zu tun habe, müsse stets im Blick sein.
Piellusch nennt die Themen Bauen, Innenstadt und Klima, als es um die Frage geht, welche unerledigte oder zurückgestellte Aufgabe ihn schmerze. Und er macht klar, dass die Stadtverwaltung in allen Bereichen ein großes Arbeitspensum zu bewältigen habe: sein Programm und eine lange Reihe von Krisen und Problemen. Die hundertprozentige Konzentration auf die Projekte sei gar nicht möglich gewesen. Die „Grundmelodie“ seiner Amtszeit sei Krisenbewältigung gewesen.
Die simple Aufzählung seiner Blöcke zeigt: Dieser Mann hat sich sehr viel vorgenommen. Er arbeitet ein Mammutprogramm ab, und er weiß das. Ihm ist auch bewusst, dass sein Tempo manchen Weggenossen, Mitarbeiter und „die Politik“ stark beansprucht und einige überfordert. Nicht alle in Rathaus und Rat können bei Pielluschs Schlagzahl mithalten. Die Summe der Informations- und Beschlussvorlagen hat ein Höchstmaß erreicht. Da kommt es auch vor, dass eine Drucksache auf 380 Seiten anwächst – zu einem Thema. Oder dass die Unterlagen erst kurz vor den Beratungen vorliegen.
Seine Blöcke bilden das, was Piellusch „unser Programm“ nennt. Es sind vor allem die Punkte, die er im Wahlkampf propagiert hat. So wie er 99 Prozent der Vorlagen unterschreibt, nachdem er sie in die Endfassung gebracht hat, so sehr trägt das Programm seine Handschrift. Das gilt auch für die Gesprächsführung bei der Bilanz-Pressekonferenz. Piellusch setzt die Punkte. Fragen beantwortet er geduldig und freundlich, aber manchmal offensichtlich nicht gern. Wenn es ihm zu persönlich wird, zeigt er eine Verschlossenheit, die im kommunalpolitischen Alltagsgeschehen nicht vorkommt. Dann geht sein Blick oft zum Fenster und zu dem, was er dort sieht: die Stadtkirche, die immer noch wegen der anstehenden Turmsanierung verhüllt ist wie bei einer Aktion von Christo. Und direkt daneben steht die Stadtsparkasse.
Beide Gebäude haben mit aktuellen Problemfällen der Stadtpolitik zu tun, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die Sanierung des Kirchturms zieht sich hin. Zur Zeit stehen weder die technischen Details noch die Finanzierung fest. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Stadt an den Kosten beteiligen muss. Und die hauseigene Bank? Das fast 170 Jahre alte Institut ist Sorgenkind Nummer 1 für den Bürgermeister. Seit Monaten vergeht kaum eine Woche, in der er sich nicht mit den dortigen Personalproblemen beschäftigen muss. Den Bestand der Sparkasse und deren Zukunft zu sichern, erfordert ständige Aufmerksamkeit und vollen Einsatz. Piellusch ist kraft Amtes Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sparkasse, und Sondersitzungen des Gremiums sind keine Seltenheit in diesen Monaten.
Piellusch leitet dieses Kontrollgremium nicht nur. Er verantwortet auch die Weichenstellungen. Der bisherige Vorstandsvorsitzende geht auf Wunsch der Stadt, zwei Vorstandsvertreter haben gekündigt, und der zweite Direktor fällt langfristig wegen Krankheit aus. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dem Haus den Rücken gekehrt und arbeiten inzwischen zum Beispiel für die Volksbank. Der personelle Aderlass ist so gravierend, dass die Sparkasse Hannover, ein Riese in der deutschen Kassenlandschaft, ein Hilfskommando von 20 Spezialisten entsandt hat. Selbst das Handelsblatt berichtet über Wunstorf und nennt den Engpass „verheerend“.
Die Sparkasse auf Kurs zu halten, ist ein Balanceakt, bei dem sich der Verwaltungsrat und vor allem sein Vorsitzender Unterstützung und Beistand vom Sparkassenverband und anderen Institutionen holt. Die Zahl der Teilnehmer an diesen Runden ist manchmal so groß, dass die Sitzungen in hannoversche Hotels verlegt werden. Längst ist von Zusammenschluss und Übernahme die Rede. Piellusch betont aber wie die beiden Sparkassenvorstände, es gehe um eine „Fusion“. Die strategische Ausrichtung des Wunstorfer Instituts stehe im Vordergrund aller Gespräche.
Das alles spricht Piellusch in seiner Halbzeitbilanz nicht an. Das Zerwürfnis mit dem alten Vorstand der Werbegemeinschaft und den Dauerkonflikt mit dem Investor für das Vion-Gelände verschweigt er nicht, geht aber nicht ins Detail. In beide Themen hat er sehr viel Zeit investiert, sich persönlich engagiert und exponiert – in „unserem Programm“ haben sie keinen hervorgehobenen Platz. Die Stadtentwicklung, die ihm so sehr am Herzen liegt, hätte er gern in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt, sagt der Bürgermeister, als sich das Gespräch dem Ende nähert. Aber die Zahl der Flüchtlinge, die Energiewende, der Krieg in der Ukraine und das „Weihnachtshochwasser“ hätten das nicht zugelassen. Unzufrieden wirkt er nicht mit seinem Tun. Carsten Piellusch scheint mit sich im Reinen.
Er wäre „gern weitergekommen im Baubereich“, bekennt er. Bezahlbaren Wohnraum zu haben, sei ein Grundbedürfnis der Menschen. Die Stadt müsse noch „Energie reinstecken“, um dem gerecht zu werden. So kommt das Gespräch fast unweigerlich auf das Baugebiet „Viertel vorm Meer“ in Steinhude. Investor Hus de Groot hat die Realisierung wegen der steigenden Kosten auf Eis gelegt. Für das gesamte Projekt wird per Anzeige nach Käufern gesucht. Der vorgesehene Kindergarten soll in jedem Fall gebaut werden. So ist es vertraglich vereinbart. Aber noch ist es nicht so weit, und auch über die Miete, die die Stadt zahlen soll, wird noch verhandelt.
Was hält der Bürgermeister von einer stadteigenen Entwicklungsgesellschaft und der Idee, selbst Wohnraum zu schaffen? Nicht viel, gibt er zu erkennen. Das Land gehe diesen Weg jetzt. Das müsse beobachtet werden. Aber warum sollte die Stadt einem leistungsfähigen Unternehmen wie dem Wunstorfer Bauverein lokale Konkurrenz machen, fragt Piellusch. Die Hauptrolle der Stadt sei, Baurecht zu schaffen. Er will eine eigene Entwicklungsgesellschaft nicht ausschließen, aber die Genossenschaft sei ein starker Akteur. Bei dieser Struktur sieht er die Stadt nicht gefordert.
Eine Frage bringt noch einmal ein Thema zurück, das er schon angesprochen hatte: die Verkehrslenkung in der Stadt. Piellusch erläutert ausführlich die Vorstellungen von Verwaltung und Ratsmehrheit und betont, es gehe nicht um Ideologie, sondern um praktische Lösungen: Wie können attraktive Alternativen zur Benutzung des Autos geschaffen werden? Wer sich wie fortbewege, werde immer eine individuelle Entscheidung bleiben, ist Piellusch überzeugt. Dass das Auto auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werde, sei doch „völlig unstrittig“. Aber es sei nötig, andere Formen der Mobilität zu verbessern.
„Auch mit einem E-Mobil stehe ich im Stau.“
„Ganz viele Punkte“ spielten dabei eine Rolle. Piellusch spricht von einem Bündel einzelner Schritte: „Daran arbeiten wir!“ Den Wunstorfern werde nichts „übergestülpt“, und die Stadt handele auch nicht dogmatisch. Die Bürger seien am Entwicklungsprozess beteiligt. Es reiche aber nicht, die E-Mobilität zu stärken. Das Ziel müsse sein, den Autoverkehr zu reduzieren: „Auch mit einem E-Mobil stehe ich im Stau.“
Ganz zum Schluss, in der letzten Minute des Gesprächs, öffnet der 58-Jährige noch einmal einen ganz kleinen Spalt breit die Tür zum Persönlichen. Wie geht er mit Kritik und Widerspruch um? „Ich versuche, einen geraden Weg zu gehen“ – dem Leitspruch seiner Universität folgend: „Das Leben an die Wahrheit hängen.“ Das sei nicht immer einfach, und „manchmal gibt es dafür Haue“. Ein kräftiger Händedruck zum Abschied. So wie immer. Und das bekannte Lächeln. Der Termin hat viel länger gedauert als erwartet. Es hat geklopft. Vor der Tür warten schon die nächsten Gesprächspartner. Es sind Heiko Menz, der Chef der Sparkasse, und Vorstandsvertreter Marco Berg. Beide verlassen die Bank der Stadt – Menz unfreiwillig, Berg hat gekündigt.
Siehe auch: Vom Bürgermeister und seinen Blöcken
Der Fahrradturm ist doch gar kein Projekt der Stadt.
Es wird nicht besser, auch wenn man es immer und immer wieder behauptet.
Das Dampfnudel-Katapult ist doch gar kein Projekt der Stadt.
Es wird nicht besser, auch wenn man es immer und immer wieder behauptet.
Na sowas
Als Bürgermeister muss man Menschen mögen. Wichtiger: die Menschen müssen ihren Bürgermeister mögen. Ob das so ist? Das muss sich Herr Piellusch fragen. Er wurde gewählt, um die Bürger glücklich zu machen. Die Bürger haben ihn nicht gewählt, damit er glücklich ist. Daran sollte er sich selber nach zweieinhalb Jahren messen. Wie zufrieden sind die Leute, mit denen er – abgesehen von seinen Vertrauten – in dieser Zeit zusammengearbeitet hat?
Die Zerwürfnisse mit der Werbegemeinschaft, der Stadtsparkasse und Hiss sind ja nicht die einzigen Problemfelder. Weitere möchte ich hier aber nicht nennen. Niemand will behandelt werden wie die drei vorgenannten Akteure.
Positives überschwänglich berichten. Negatives verschweigen und beschönigen. Gott sei Dank ist das nicht das Motto unseres Bürgermeisters.
Dem Leitspruch seiner Universität sollte er immer öfter folgen. Dann gibt es – wie er es so schön formuliert – auch keine Haue.
Ich wünsche der Stadt und damit auch dem Bürgermeister für die nächsten zweieinhalb Jahre viele gute Entscheidungen.
Aufgrund des derzeitig herrschenden negativen Zeitgeistes, der u.a auch von einer Klimapsychose geprägt ist, wird es Herrn Piellusch als Bürgermeister schwer fallen, die Stadt positiv und wertschöpfend, lnsbesondere wohlstandswahrend in die weitere Zukunft zu führen. Ich würde mich gern positiv überraschen lassen.
Es ist schon sehr merkwürding. Als Rolf Axel Eberhardt noch Bürgermeister war, war die Tagesordnung für die Ratssitzungen deutlich länger (siehe Kalender Wunstorf.de RIS Ratsinformationssystem, für alle frei einsehbar). Und: Uwe H.: Danke ;-)
Wir waren uns im Rat einig, dass die Anzahl der TOP zu groß ist.
Deswegen haben wir einige Themen auf den Verwaltungsausschuss delegiert; weiterhin haben wir Themen auf den Bürgermeister delegiert.
Dadurch ist eingetreten, was wir alle gemeinsam wollten: Weniger TOP. Schon vergessen?
Ob die TO wirklich kürzer sind, bezweifele ich aber. ich find die Themendichte echt enorm.
Die Meinungen der Parteien/ Fraktionen, die nicht der Mehrheitsfraktion angehören?
Stadtentwicklung ist nicht die barnestraße autofrei zu machen und fahrradruhestationen für 13000 Euro zu errichten die nicht angenommen werden und jährlich gestrichen werden müssen